Arbeitsschutz 
in Nordrhein-Westfalen

Anlassunabhängige und anlassbezogene Gefährdungsbeurteilung

Nahaufnahme eines geöffneten Auges

Anlassunabhängige und anlassbezogene Gefährdungsbeurteilung

Der Zweck der mutterschutzrechtlichen Gefährdungsbeurteilung ist es, die mit der Arbeit verbundenen Gefährdungen zu ermitteln und zu beurteilen, denen Schwangere, Stillende oder ihr Kind ausgesetzt sein können. Auf Grundlage der individuellen Gefährdungsbeurteilung müssen die erforderlichen Schutzmaßnahmen festgelegt werden. 

Anlassunabhängige Gefährdungsbeurteilung

Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) schreibt vor, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber alle Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplätze mit Blick auf mögliche Gefährdungen für eine schwangere oder stillende Frau überprüfen müssen. Diese Vorgabe gilt unabhängig davon, ob gegenwärtig eine schwangere oder stillende Frau an diesem Arbeitsplatz beschäftigt wird. Die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber muss also bereits mutterschutzrechtlich tätig werden, bevor die Beschäftigte ihr oder ihm ihre Schwangerschaft oder Stillzeit mitteilt. Damit soll sichergestellt werden, dass die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber sofort entsprechend reagieren kann. 

Die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber muss in der Gefährdungsbeurteilung für jede Tätigkeit die möglichen Gefährdungen nach Art, Ausmaß und Dauer ermitteln. Nach der Prüfung legt die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber fest, ob im Falle einer Schwangerschaft oder Stillzeit

• keine Schutzmaßnahmen notwendig sind,

• eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen erforderlich ist oder

• die betroffene Frau an dem Arbeitsplatz nicht mehr arbeiten darf.

Bei gleichartigen Arbeitsplätzen oder Tätigkeiten muss die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber nur einen von diesen Arbeitsplätzen beurteilen. Über das Ergebnis der anlassunabhängigen Gefährdungsbeurteilung sind alle Beschäftigten zu informieren.  

Anlassbezogene Gefährdungsbeurteilung

Sobald die Beschäftigte ihre Arbeitergeberin bzw. ihren Arbeitgeber über eine Schwangerschaft oder Stillzeit informiert, müssen die in der anlassunabhängigen Gefährdungsbeurteilung festgestellten Schutzmaßnahmen noch einmal im Rahmen des individuellen Arbeitsplatzes der Frau überprüft und die erforderlichen Schutzmaßnahmen festgelegt und umgesetzt werden. Über das Ergebnis der anlassbezogenen Gefährdungsbeurteilung ist ein Gesprächsangebot an die schwangere oder stillende Frau nicht nur sinnvoll, sondern auch gesetzlich vorgeschrieben.

Die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber darf eine schwangere oder stillende Frau nur diejenigen Tätigkeiten ausüben lassen, für die sie oder er die Arbeitsbedingungen beurteilt und die erforderlichen Schutzmaßnahmen umgesetzt hat.

Unverantwortbare Gefährdung

Das MuSchG führt den Begriff der „Unverantwortbaren Gefährdung“ ein. Dieser bezeichnet eine für die schwangere oder stillende Frau nicht mehr zumutbare Gefährdung. Die Arbeitgeberin bzw. den Arbeitgeber muss diese durch geeignete Schutzmaßnahmen ausschließen. 

Eine Gefährdung ist unverantwortbar, wenn die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gesundheitsbeeinträchtigung angesichts der zu erwartenden Schwere des möglichen Gesundheitsschadens nicht hinnehmbar ist (§ 9 Abs. 2 MuSchG). Eine unverantwortbare Gefährdung liegt insbesondere vor, wenn die schwangere oder stillende Frau Tätigkeiten ausübt oder Arbeitsbedingungen ausgesetzt ist, bei denen sie der Gesundheit gefährdenden Gefahrstoffen ausgesetzt ist oder sein kann (§§ 11, 12 MuSchG).

Der Maßstab, wann eine unverantwortbare Gefährdung vorliegt, kann für die Schwangere ein anderer sein als für die stillende Frau. Körperliche Belastungen oder mechanische Einwirkungen können die Stillende etwa aufgrund des fehlenden Schutzbedürfnisses des inzwischen geborenen Kindes nicht mehr gefährden.

Grundsätze der Bewertung

Daraus lassen sich folgende Grundsätze ableiten, um die Unverantwortbarkeit einer Gefährdung zu bewerten:

Eine unverantwortbare Gefährdung gilt als ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber alle Vorgaben einhält, die aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen, dass die Gesundheit einer schwangeren oder stillenden Frau oder ihres Kindes durch die Bedingungen am Arbeitsplatz nicht beeinträchtigt wird.

Eine pauschale Gefährdungsbeurteilung (z.B. Checkliste) bedarf in der Regel einer tätigkeits- bzw. arbeitsplatzbezogenen Ergänzung. 

Die Anwendung von pauschalen Gefährdungsbeurteilungen für typische Tätigkeiten, Arbeitsbereiche und Arbeitsabläufe im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ist möglich, wenn dabei der Schutz vor Benachteiligung der schwangeren oder stillenden Frau aufgrund fehlender Berücksichtigung der konkreten Arbeitsbedingungen des Einzelfalls gewährleistet ist. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen reicht die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Arbeitstätigkeit aus (§ 10 Absatz 1 Satz 2 MuSchG, § 5 Absatz 2 ArbSchG). 

Reihenfolge der Schutzmaßnahmen 

Werden unverantwortbare Gefährdungen und/oder unzulässige Tätigkeiten festgestellt, sind für jede Tätigkeit Maßnahmen in folgender Reihenfolge zu treffen:

  1. Die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber hat die Arbeitsbedingungen für die schwangere oder stillende Frau durch die festgelegten Schutzmaßnahmen nach der Gefährdungsbeurteilung umzugestalten.

  2. Kann die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber unverantwortbare Gefährdungen nicht durch die Umgestaltung der Arbeitsbedingungen ausschließen oder ist eine Umgestaltung wegen des nachweislich unverhältnismäßigen Aufwandes nicht zumutbar, hat sie oder er die Mitarbeiterin an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz einzusetzen. Das setzt voraus, dass die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber einen solchen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen kann und dieser Arbeitsplatz der schwangeren oder stillenden Frau zumutbar ist.

  3. Kann die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber unverantwortbare Gefährdungen weder durch Schutzmaßnahmen noch durch einen Arbeitsplatzwechsel ausschließen, darf das Unternehmen die schwangere oder stillende Frau nicht weiter beschäftigen.

Beschäftigungsverbot

Die schwangere oder stillende Frau darf nur von der Beschäftigung freigestellt werden, wenn eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen oder eine  Umgestaltung der Tätigkeit wegen des nachweislich unverhältnismäßigen Aufwandes nicht zumutbar ist und der Einsatz an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz der Arbeitgeberin bzw. dem Arbeitgeber nicht möglich ist. Diese Abfolge der Schutzmaßnahmen schützt nicht nur die schwangere oder stillende Frau vor unverantwortbaren Gefährdungen, sondern auch vor möglichen Benachteiligungen.

Die Arbeitgeberin bzw. der Arbeitgeber ist dafür verantwortlich, ein mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot zu benennen und durchzusetzen. Eine betriebliche Fachkraft für Arbeitssicherheit oder eine Betriebsärztin bzw. ein Betriebsarzt können bei der fachkundigen Umsetzung beraten und unterstützen.

Anlassunabhängige und anlassbezogene Gefährdungsbeurteilung Rechtliche Grundlagen

Die mutterschutzrechtliche Gefährdungsbeurteilung dient im Rahmen der Beurteilung der Arbeitsbedingungen (§ 5 Arbeitsschutzgesetz) der Ermittlung und Beurteilung von mit der Arbeit verbundenen Gefährdungen und der Festlegung von Maßnahmen, denen Schwangere oder Stillende oder ihr Kind ausgesetzt sein können (§ 10 MuSchG).

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